Baustelle

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LOGBUCH ISIS, Mallorca

Im Spätsommer 1994: Mallorca, Perle des Mittelmeeres

Das Ganze begann auf eine nicht alltägliche Weise. Das kleine Loft war so stickig, dass man aus dem Fenster hätte springen wollen. Das hieße dann aber die Balkontür zu öffnen. Damit würde der jetzt schon unerträgliche Krach, der durch die geschlossene Tür drang, noch schlimmer werden. Das Hotel auf der anderen Seite der Ravine schien es sich zur Aufgabe zu machen, den Rest des Ortes kostenlos mit zu beschallen.
Was tun? Ich erinnerte mich an andere südliche Gestaden; allerdings unter dem Kreuz des Südens. Wie anders war das gewesen. Wenn die Nacht hereinbrach war sie schwarz, besetzt mit unzähligen funkelnden Sternen, die Zikaden zirpten zwischen ausgetrockneten Gräsern und die Luft war vom Duft Afrikas erfüllt.

 Die Brandung des Indischen Ozeans rauschte an goldgelbe sandige Strände - fast menschenleer, trotz strahlender Sonne an ewig windigen Tagen. Wunderschöne Buchten mit felsigen Perlen reihten sich an der Ostküste. Der salzige Geruch des lebendigsten Ozeans der Welt -so kam es mir immer vor-, frisch und doch warm, invigorating, lag auf golden glänzender Haut und Haaren, belebte die Sinne, alle Organe.


Hier gab es auch Palmen - es gab südliche Wärme. Strand, Sonne und auch ein Meer. Das Mittelmeer. Als junges Mädchen in der Ausbildung war es eigentlich mein Ziel gewesen als Europa-Sekretärin, damit mehrsprachig, dieses Europa kennen zu lernen, aber es kam anders. Nun viele Jahre später, gereifter, geschieden und wieder zurück in Europa, versuchte ich, den Faden aufzunehmen, obwohl mir inzwischen klar war, dass in dieser Welt, diesen Kulturen und Nationen sehr vieles sehr schief lief. Doch dies erstmal nur am Rande.

Hier gab es, wie gesagt, jede Menge Beschallung, was den Zauber nicht nur der Erinnerung, sondern auch des Urlaubes, der Erholung und des südlichen Lebensgefühl brach.
Ich war nach langer Zeit endlich mal wieder in den Urlaub gefahren/geflogen und habe mich diesmal nicht vom Vorstand umstimmen lassen. Ich brauchte den Urlaub, die Sonne, die Wärme. Afrika lag so lange hinter mir, aber war noch immer stark in meiner Erinnerung.

Ein Sturm schien sich anzubahnen. Heiße schwere Tropfen klatschten gegen die Scheibe, Wind kam auf, also öffnete ich jetzt die Balkontür und der Wind stob wie eine Furie ins Zimmer den Schall von der anderen Seite mit sich bringend. Ich schaute hinüber - hell leuchteten Bahnen  farbigen Lichts gegen den nächtlichen Himmel und blendeten die meisten Sterne aus. Ähnliches Licht hatte ich schon mal gesehen, doch war das draußen, zwischen den Sternen. Ähnlich, ja ... aber doch ganz anders. Intensiever, strahlender, und irgendwie unirdisch. Denn es war unirdisch.

Es regnete immer dichter, das ließ hoffen, daß drüben damit die Party ins buchstäbliche Wasser fallen würde. Ich grinste. Die Landschaft konnte die Nässe gebrauchen.  Diese Nacht würde endlich die ersehnte Ruhe bringen. Einmal eine Nacht, in der es mir nicht leid tun würde, das kleine Appartment gekauft zu haben. Doch hatte ich es hauptsächlich für meine Mutter getan, die sich über die Hotels beklagte, die keine Hunde zuließen. Und obwohl sie mir nun vorhielt, dass sie durch meinen Hund, der ja eigentlich der Hund meines jüngstens Sohnes war, solch Ungemach auf sich nahm. Ich lächtelte in mich hinein, zugegeben, sowohl für den Hund wie für uns war es eine Erleichterung, aber letztlich hatten wir zugestimmt, damit Oma eine Aufgabe hatte und sie kümmerte sich um Cherry wie um ein kleines Kind.

Der Sturm klatschte gegen die wieder geschlossene Balkontür und erinnerte mich an andere Stürme, die ich hinter mich gebracht hatte. Ahnte den Sturm, der jetzt auf mein Leben zukam. In der stickigen Hitze fröstelnd lehnte ich mich in der Schlafcouch zurück. Und der Sturm tobte, schlug die hohen Wellen gegen die Felsen, brach in Türen und Fenster, zerstörte. Zerstörte Boote und Schiffe, die ihre Besitzer höchstens einmal im Jahr sahen......
                                                                                 


Am nächsten Morgen wehte ein kalter Wind, der Himmel war stahlgrau. Ich lehnte mich gegen das Fenster, wusste hier eigentlich nie so recht, was ich anfangen sollte. Die nächste Tauchbasis kannte ich noch nicht, hatte auch noch keine eigene Ausrüstung angeschafft und war deshalb unschlüssig was zu tun sei. Am Strand liegen und die Sonne anbeten zwischen anderen Touries, war nie mein Ding, ich musste etwas sinnvolles tun können. Bei solchen Gelegenheiten haderte ich mit meinem geschiedenen Mann, der mir meine Tauchausrüstung und so manches andere wichtige Utensiel und für mich wichtige Bücher vorenthalten hatte. 

 
Eine Wohnung war eigentlich wie die andere, vier Wände, ein paar Fenster und Türen. Nur die Einrichtung war anders. Hier typisch mallorcinisch. Was machte man? Ich hatte einen seltsamen Traum gehabt, er hing noch nach. Unten gingen vereinzelt ein paar Menschen. Ich überlegte und starrte hinaus auf die nasse Gegend. Vor den kleinen Bungalows gegenüber tat sich auch nichts. Die Bucht konnte man nicht wirklich sehen, aber ich hatte  auch keine Lust runterzugehen um zu sehen, wie es nach dem Sturm war.

Ich zog mir die Jacke über und rannte hinunter zum Auto. Der nächste Ort war nicht weit entfernt. Er hatte einen kleinen  Hafen mit einer Promenade und ein paar typisch mallorcinischen Lokalen in denen der unerfahrene Tourist mit teureren und langweiligen Touristenmenüs eingefangen wurde, die sich kaum von dem unterschieden, was man aus der Heimat kannte. Wer schon länger da war, wusste, dass man besser aß, wenn man die Tagesmenüs bestellte, die auch die Einheimischen bestellten. Meist ein frisch gekochtes 3Gänge-Menü, das einschliesslich Getränken an den langen Tischen serviert wurde, es war darüber hinaus entschieden preisgünstiger und besser.